Die Bedeutung des Annahmeverzugs wird in der Praxis leider häufig verkannt. Insbesondere Leiharbeitnehmer täten gut daran, diese Vorschrift zu kennen. Aber auch nach einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung wird die Regelung relevant, wenn der Arbeitnehmer gegen die Kündigung vorgeht. In § 615 BGB heißt es:
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Salopp übersetzt, heißt es: Selbst Schuld, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht arbeiten lässt, obwohl dieser arbeiten möchte. Der Arbeitgeber muss die Vergütung trotzdem bezahlen, obwohl – etwa wegen Arbeitsmangels oder eines Störfalls – nicht gearbeitet wurde. Die ausgefallenen Arbeitsstunden gelten nicht aus Minusstunden und brauchen nicht nachgearbeitet zu werden.
In der Praxis ziehen viele Arbeitgeber die fehlenden Stunden entweder unzulässigerweise vom Gehalt ab oder lassen die Arbeitsstunden vom Arbeitnehmer nachholen. Manchmal verlangen sie von den Arbeitnehmern, ihren Erholungsurlaub einzusetzen. Hier müssen sich Arbeitnehmer selbstbewusst zur Wehr setzen.
Wenn der Arbeitnehmer in der ausgefallenen Arbeitszeit anderweitige Einnahmen (z.B. Arbeitseinkommen oder Arbeitslosengeld) hatte, darf der Arbeitgeber damit verrechnen. Aber nicht nur tatsächliche Einnahmen sind maßgeblich, sondern auch die der Arbeitnehmer hätte erzielen können, aber böswillig unterlassen hat. Mit anderen Worten: Das Gehalt, das er hätte erzielen können, wenn er nicht faul zuhause geblieben wäre.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 27.05.2020 – 5 AZR 387/19) hat hierzu klargestellt, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber Auskunft geben muss, was er konkret unternommen hat, um seine Arbeitslosigkeit zu beenden.
Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer, der Vergütung wegen Annahmeverzug fordert, einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge. Grundlage des Auskunftsbegehrens ist eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis nach § 242 BGB.
(amtl. Leitsatz)
Siehe auch: Annahmeverzug und Freistellung